DANA/DENA - Ursprung der freien deutschen Presse

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Gisela Christiansen recherchierte den Aufbau der freien deutschen Presse durch die Amerikaner, die dafür

Bad Nauheim auserkor, eine jugendstilgeprägte Stadt, die auch später Elvis Presley als privater Wohnort gefiel.

 

Teil 1

 

Im April 1945 wurde Bad Nauheim zum Schauplatz für eines der wichtigsten Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte, dem Aufbau einer freien deutschen Presse.

 

Die Vorbereitungen dazu begannen bereits Anfang 1944 im damals geheimen Camp Ritchie im US Bundesstaat Maryland. Hier wurden deutschsprachige Soldaten, Schriftsteller, Journalisten für einen besonderen Einsatz geschult. Nach dem Sieg der Alliierten und einem sofortigen Stopp aller Medien in besetzten Gebieten sollten sie in Deutschland Presse und Rundfunk neu aufbauen. Dieser Plan war Teil der psychologischen Kriegsführung mit dem Ziel der „Re-education“ der Umerziehung der Deutschen zu einer freiheitlich-demokratischen Gesinnung mit Hilfe der Medien.

 

Unter den Emigranten befanden sich viele Deutsche, so auch Stefan Heym, Golo Mann und der deutsch-ungarische Publizist und Schriftsteller Hans Habe, der als Ausbilder eingesetzt wurde. Auf Anordnung von General Banfill kam er nach mehreren Zwischenstationen bereits Anfang April 1945 nach Bad Nauheim, nachdem mit dem Einmarsch der 7. Armee am 29. März 1945 für die Stadt der Krieg zu Ende war. Er bezog mit seinen Mitarbeitern das Hotel Bristol, verlegte aber kurze Zeit später sein Büro in das Hotel Thielemann. Das Haus stand in der Auguste Viktoria-Straße 1 und wurde Anfang der 80er Jahre abgerissen.

ehem. Hotel Bristol
ehem. Hotel Bristol

Hans Habe unterstand der 12. US Heeresgruppe mit ihrem Kommandanten Brigadegeneral Robert A. McClure, einer Division für psychologische Kriegsführung (Psychological Warfare Division). McClure war Befürworter eines harten Kurses. Er war überzeugt von der Kollektivschuld der Deutschen – ein Punkt, der auch von den Alliierten kontrovers diskutiert wurde - und glaubte, sie umerziehen zu können, indem man ihnen ständig die Verbrechen der Nazis vor Augen führte. Hans Habe war anderer Meinung. Er vertrat die Ansicht, dass ein solches Vorgehen eher zu Abneigung und Ablehnung führen könne und hatte offene Auseinandersetzungen mit McClure. Schließlich konnte Habe mit anderen Gleichgesinnten einen milderen Kurs durchsetzen, der die Deutschen auf subtilere Weise zur Demokratie hinführen sollte.

 

Ebenfalls von dieser Heeresgruppe war Brewster Morgan, Rundfunkjournalist und Angehöriger der „2nd Mobile Broadcasting Company“. Er hatte den Auftrag, in Frankfurt eine Rundfunkstation einzurichten. Da aber der Sender in Frankfurt zerstört und inzwischen nach Bad Nauheim ausgelagert worden war, richtete sich Morgan auch hier ein. Er wollte Bad Nauheim zur „Radio City of Germany“ machen, denn Rundfunknachrichten standen im Vordergrund der neuen Informationspolitik. Doch zunächst einmal mussten die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Die benötigte auch Hans Habe, der als Leiter der Zweigstelle des 1943 in London gegründeten „Allied Press Service“ (APS) am Aufbau seiner Presseagentur in Bad Nauheim arbeitete.

 

Morgans Mitarbeiter, Leiter der Abteilung „Press and News“ Luther Conant und Lieutenant Leon Edel, machten in Waltersleben, Thüringen, den Chefingenieur des Deutschen Nachrichtenbüros, DNB, Edgar Scholz, ausfindig. Er war Ende Januar 1945 von Goebbels mit der Auslagerung des DNB von Berlin beauftragt worden. Conant und Edel beschlagnahmten am 1. Mai 1945 das gesamte Material kurz vor der Übernahme Thüringens durch die Russen und brachten es am 10. Mai 1945 mit Edgar Scholz und etwa 5 Tonnen technischem Gerät nach Bad Nauheim. Nachdem der Techniker Kurt Neidlinger zusätzlich einen Kurzwellensender auf dem Johannisberg installiert hatte, konnte zunächst ein provisorischer Sendebetrieb mit geringer Reichweite aufgenommen werden. Zur Stromversorgung für die Büros wurden Kabel von einer Trafostation in der Ludwigstraße offen durch den Kurpark und die Straßen verlegt. Für den Funkverkehr jedoch war ein starker Sender nötig und den konnten die Amerikaner im Mai 1945 in der Nähe von Rosenheim erbeuten. Scholz wurde damit beauftragt, den 20 Kilowatt starken Langwellensender „Paula“ nach Bad Nauheim zu bringen und instand setzen zu lassen. Die drei 55 Meter hohen Sendemasten wurden von amerikanischen Pionieren in Bad Vilbel Am Heiligenstock aufgebaut. Geschäftsführer und technischer Leiter des Senders wurde Edgar Scholz. Am 4. September 1945 war der Sender für die German News Service (GNS) betriebsbereit.

 

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Teil 2 

 

Lizensierung von Zeitungen unter deutscher Leitung

 

Nachdem die technischen Probleme zumindest provisorisch gelöst waren, hatte der German News Service (GNS) jeden Tag einen 3000 Wörter umfassenden Nachrichtenblock herausgegeben, der dann auch die nötigsten Informationen an die inzwischen lizensierten Zeitungen vermittelte. Nach der Inbetriebnahme der Erdfunkstelle wurde aus der Übergangslösung GNS die Deutsche Allgemeine Nachrichtenagentur DANA. Bevor genügend Zeitungen lizensiert waren, versorgten sogenannte Armeegruppenzeitungen die Bevölkerung mit den wichtigsten Informationen, die hauptsächlich das tägliche Leben betrafen. Sie wurden zunächst kostenlos verteilt, später für wenig Geld verkauft. Diese Mitteilungsblätter erschienen teilweise bis November 1945 und wurden allmählich von den neu lizensierten Zeitungen abgelöst. Bis Ende 1945 bekamen diese Armeegruppenzeitungen ihre Weltnachrichten ausschließlich über eine eigens von den Alliierten geschaffene Agentur „Allied Press Service“ (APS) in London.

 

Erster Chefredakteur der DANA war Eugène Jolas. Während man mit den technischen Problemen beschäftigt war, bis auch der letzte Hellschreiber, ein Vorläufer der Fernschreiber, Telefone und sonstige elektrischen Geräte installiert sowie vertrauenswürdige Mitarbeiter eingestellt worden waren, hatte man bereits fieberhaft nach unbelasteten deutschen Verlegern gesucht, denen man die Herausgabe einer Zeitung anvertrauen konnte. Die Auswahlkriterien waren sehr streng, die Bewerber mussten zahlreiche Tests bestehen. Mit Karl Gerold-Lang, Wilhelm Gerst, Emil Carlebach, Arno Rudert und 4 weiteren Journalisten hatte man schließlich in Frankfurt ein geeignetes Verlegerteam gefunden, und mit der Lizenz Nr. 2 wurde die Frankfurter Rundschau die erste Zeitung unter deutscher Leitung nach dem Krieg. Sie erschien am 1. August 1945 mit einer Auflage von 100 000 Stück. Die Lizenz Nr. 1 bekamen die Aachener Nachrichten, aber sie standen noch unter britischer Leitung. Hans Habe war inzwischen nach München gegangen und hatte dort „Die Neue Zeitung“ gegründet. Zu den Redakteuren der ersten Stunde zählten u.a. Stefan Heym, Robert Lembke und Erich Kästner.

 

Die Verlage hatten mit enormen Schwierigkeiten zu kämpfen. Es mangelte an Papier, an Druckmaschinen, an Schriftsetzern, geeigneten Räumen und vielem mehr. Die Herstellung einer Zeitung geschah unter teilweise abenteuerlichen Bedingungen, und in der ersten Zeit umfassten die Zeitungen nur wenige Seiten. Dazu kamen die oft desolaten Lebensumstände der deutschen Mitarbeiter. Sie hausten zum Teil in Notunterkünften, litten an Hunger, an Kälte, ganz besonders in den Jahren 1946/47 als die Lebensmittelration auf 800 Kalorien pro Tag gesunken war. Ein geordneter Arbeitsablauf mit den bei der Presse üblichen Nachtschichten war wegen Entkräftung der Mitarbeiter oft nicht einzuhalten. Den Amerikanern war es unter Strafe verboten, den Deutschen Lebensmittel abzugeben. Dass viele es auf eigene Gefahr dennoch taten, zeugt von Menschlichkeit in einer schlimmen Zeit. Durch die ständige Zusammenarbeit von Amerikanern und Deutschen wurde auch das strikte Fraternisierungsverbot mit der Zeit aufgeweicht.

Fraternisierung britischer Soldaten Juli 1945, Foto BU 8902, Imperial War Museums
Fraternisierung britischer Soldaten Juli 1945, Foto BU 8902, Imperial War Museums

Was war nun anders an den neuen deutschen Zeitungen? Zunächst einmal das äußere Erscheinungsbild. Die im Dritten Reich verbreitete Frakturschrift oder Gotische Schrift wurde durch eine gut lesbare, neutrale Schrift ersetzt. Verändert wurde auch das Layout. Wichtige Nachrichten und Nachrichten aus aller Welt kamen auf die ersten Seiten, dann folgte der Regional- und der Lokalteil. Die Nachrichtenblöcke bekamen eine große, fettgedruckte Überschrift, darunter evt. eine kurze Zusammenfassung, ebenfalls fett gedruckt und dann der ausführliche Bericht. Inhaltlich war die strenge Trennung von sachlicher Nachricht und Kommentar vorgeschrieben, ebenso die Verpflichtung, jegliches Wiederaufkommen von Rassismus, Nationalismus, Faschismus, Antisemitismus usw. zu verhindern. Zudem gab es in den ersten Jahren eine Liste verbotener Wörter und nationalsozialistischer Redewendungen, allen voran natürlich das Wort „Führer“. Es gibt eine Anekdote von einem Redakteur, der nicht wusste, wie er mit dem Wort „Lokomotivführer“ umgehen sollte.

 

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Teil 3

 

Journalistische Arbeit und die Zusammenarbeit mit ausländischen Agenturen

 

Nachdem in den vorangegangenen Artikeln die technischen Probleme und die neuen Vorgaben behandelt wurden, kommen wir jetzt zur praktischen Umsetzung, zur eigentlichen journalistischen Arbeit.

 

Es darf nicht verschwiegen werden, dass die großen Worte von Demokratie und Freiheit zunächst nicht auf die Presse zutrafen. Sie wurde zensiert. Während der Zeit der DANA wurden alle Berichte noch vor der Veröffentlichung geprüft. Wenn den Offizieren der Information Control Division (ICD) etwas nicht genehm war, wurde es korrigiert oder gestrichen. Bei der DENA wurden die Artikel immerhin erst nach dem Erscheinen geprüft und möglicherweise gerügt, wenn den Besatzern etwas nicht passte. Diese Zensur fiel erst weg, als 1949 der Lizenzzwang aufgehoben wurde.

 

Inzwischen hatte sich die DANA in Bad Nauheim gut etabliert. Unbelastete junge Leute wurden zu Journalisten ausgebildet, und viele Bad Nauheimer fanden hier Arbeit. Bald übertraf die Zahl der deutschen Mitarbeiter die der Amerikaner.

 

Zitat aus dem Archiv dpa: „Vom 29. Juni 1945 an hatten US-Journalisten im hessischen Bad Nauheim einen täglich 3000 Wörter umfassenden Nachrichtendienst in englischer Sprache zusammengestellt. Der sogenannte German News Service war Vorläufer der DANA, die im Oktober 1946 zu DENA wurde. Diese hatte damals nur noch 15 amerikanische und immerhin schon 426 deutsche Mitarbeiter. Der „Bad Nauheimer Kindergarten“, wie ihn Spötter nannte, war zur ersten Journalistenschule im Nachkriegsdeutschland geworden.“

 

Ab Mitte Dezember 1945 vereinbarte die DANA bereits ein Austauschabkommen mit den drei größten kommerziellen amerikanischen Agenturen Associated Press (AP), United Press (UP) und dem International News Service (INS). Die DANA versorgte alle inzwischen zahlreich lizensierten Zeitungen der amerikanischen Besatzungszone mit Informationen, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich, Zonenagenturen der Sowjets, Briten und Franzosen, der Enklave Bremen, sowie sechs Radiostationen in Deutschland und Österreich. Außerdem war ein Netz von Außenstellen der DANA in allen größeren Städten eingerichtet worden.

Allerdings lief der Informationsfluss nicht reibungslos. Technische, wirtschaftliche, juristische und währungspolitische Probleme erschwerten eine kontinuierliche Zusammenarbeit, die Verträge mit UP und AP wurden gekündigt, die Information Control Division verdächtigte den INS der Falschmeldungen. Zudem befürchtete die ICD, dass durch die ausländischen Agenturen Nachrichten verbreitet würden, die in Deutschland noch nicht erwünscht waren. Die ausländischen Agenturen sahen in der DENA auch eine Konkurrenz und versuchten, teilweise am Rande der Legalität, mit deutschen Verlegern ins Geschäft zu kommen. Kurzum, es war ein ständiger Wechsel und zeitweise erhielt die DENA die Weltnachrichten nur noch von der englischen Agentur Reuters und der französischen Agence France Press (AFP). Wegen der immer noch unzulänglichen Sendemöglichkeiten wurden Nachrichten häufig als Druckversion von Kurieren zum Empfänger gebracht.

 

Wie aus dem internen Schriftverkehr der amerikanischen Dienststellen hervorgeht, wurde lange und kontrovers darüber beraten, wann man den Deutschen die Leitung der Agentur übergeben könne. Am Vormittag des 1. Oktober 1946 war es endlich soweit. Im Speisesaal des Hotels Tielemann unterzeichnete Brigadegeneral Robert A. McClure die Lizenz mit der Urkunde US/IC/100, die DANA wurde zur DENA, Deutsche Nachrichtenagentur. Am Nachmittag fand im Theatersaal des Kurhauses die Gründungsversammlung der DANA-Genossenschaft statt, um die Übernahme juristisch vorzubereiten.

 

Erster deutscher Chefredakteur wurde Johannes Haas-Heye, den man mit anderen fähigen deutschen Journalisten aus einem englischen Kriegsgefangenenlager bei Ascot geholt hatte. Unter dem Mitarbeiterstab aus Redakteuren, Technikern, Schreibkräften, Telefonisten usw. befanden sich auch viele Bad Nauheimer, wie Edgar Scholz, Kurt Neidlinger, Susanne von Paczensky, Hans Martin, Käthe Kranefuß, Marianne Fischer, um nur einige zu nennen.

DENA, Hotel Tielemann, ganz rechts: Hans Martin, überliefert von seinem Bruder Prof. Dr. Gerhard Martin
DENA, Hotel Tielemann, ganz rechts: Hans Martin, überliefert von seinem Bruder Prof. Dr. Gerhard Martin

In der französisch besetzten Zone hatte sich nach gleichem Muster wie die DENA die Agentur SUEDENA etabliert, die bald mit der französischen Nachrichtenagentur „HAVAS“ kooperierte. In der britischen Zone nannte sich die erste Agentur auch zunächst GNS, wurde dann zum Deutschen Pressedienst (dpd) und arbeitete von Anfang an mit Reuters zusammen.

 

Nachdem ein umfangreiches Deutsches Presserecht ausgearbeitet worden war – das heute noch gültig ist – schlossen sich die drei westdeutschen Agenturen zusammen. Am 18. August 1948 gründete federführend für alle Fritz Sänger im Hotel Achtermann in Goslar die Deutsche Nachrichtenagentur dpa. Der Hauptsitz wurde nach Hamburg in den Mittelweg verlegt, wo er sich heute noch befindet. Die Lizenzpflicht wurde am 21. September 1949 aufgehoben. Die inzwischen weiter ausgebaute Erdfunkstelle DENA in Bad Vilbel blieb Teil der dpa und bildete eine gute Einnahmequelle. Die Leitung übernahm 1972 der Sohn von Edgar Scholz, Hans Hasso Scholz. Mit dem Beginn des Satellitenzeitalters wurde der Sender in den 1980er Jahren stillgelegt, ein wirtschaftlicher Verlust für die dpa.

 

Der DENA Standort Bad Nauheim wurde aufgelöst, viele Mitarbeiter verloren ihre Arbeit. Einige zogen um nach Bad Godesberg, der neuen Medienstadt, nachdem Bonn Bundeshauptstadt geworden war. Medienstadt wäre, wie geplant, Bad Nauheim geworden, wenn man Frankfurt zur Bundeshauptstadt gewählt hätte.

 

Durch die DENA wurde Bad Nauheim in der ganzen Welt bekannt. Der Name unserer kleinen Stadt findet sich in zahlreichen Archiven, Fachbüchern, Dokumentationen, Biografien und sonstiger Literatur. Aber auch die DENA war nur Teil einer außerordentlich komplexen Geschichte, der Informationspolitik der Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg. Außer der DENA gab es hier eine zweite amerikanische Pressestelle, den Amerika Dienst. Ihm ist die nächste Folge gewidmet.

 

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Teil 4

 

US Feature Service/Amerika Dienst

 

Neben der Nachrichtenagentur DANA/DENA gab es in Bad Nauheim eine weitere amerikanische Pressestelle, den US Feature Service oder Amerika Dienst. Das Büro befand sich in der Goethestraße 4, dem damaligen Deutschen Kurheim. Heute steht an dieser Stelle die Taunusklinik.

 

Deutsches Kurheim, ehem. Hotel Metropole
Deutsches Kurheim, ehem. Hotel Metropole
Salon Deutsches Kurheim, ehem. Hotel Metropole
Salon Deutsches Kurheim, ehem. Hotel Metropole

 

Der Amerika Dienst wurde im August 1948 in Nürnberg als Teil der Information Services Division gegründet und im Frühjahr 1949 nach Bad Nauheim verlegt. Der Bad Nauheimer Hans Martin, der bereits zum Redaktionsteam der DENA gehörte, fand nach deren Wegzug bis 1950 eine Stelle beim Amerika Dienst. Die Agentur arbeitete bis Juni 1952 in Bad Nauheim, dann zog sie nach einer kurzen Zwischenstation in Frankfurt im September 1952 nach Bad Godesberg.

 

Der Amerika Dienst war ein nicht kommerzieller Informationsservice für Hintergründe, Feuilletons, Berichte über das Alltagsleben in Amerika und damit keine Konkurrenz zu anderen Agenturen.

 

Erklärtes Ziel dieser meist etwa 24 Seiten umfassenden wöchentlichen Ausgaben war es „to tell the American story“. Mit ausgewählten übersetzten Artikeln aus der amerikanischen Presse sollte den Deutschen die amerikanische Lebensweise und selbständiges, also demokratisches Handeln und Denken vermittelt werden.

 

Man wusste, dass es nach dem Krieg einen großen Frauenüberschuss geben würde. Deshalb widmete sich ein großer Teil der „Re-Education“ mit gezielten Programmen an die Frauen, die traditionell in autoritäre Familienstrukturen eingebunden waren, ein Umstand, der durch die Diktatur und die Frauenpolitik des Naziregimes noch verstärkt wurde. Die Ergebnisse umfangreicher sozialwissenschaftlicher Untersuchungen der Amerikaner und repräsentative Umfragen zu diesem Thema waren ernüchternd. Frauen und Jugendliche zeigten wenig politisches Interesse und neigten dazu, sich Autoritäten unterzuordnen. Zur Aufgabe der psychologischen Kriegsführung gehörte es deshalb, auch diese Gruppe zu mündigen Bürgern zu erziehen, die aktiv und selbstbestimmt ihren Teil zur Demokratie beitragen. Also richteten sich viele Artikel im Amerikadienst neben politischen, technischen oder wirtschaftlichen Feuilletons gezielt an Frauen. Dazu gehörten z.B. Berichte aus Gesellschaft, Kultur, Sport, Kunst, Haushalt, Erziehung, Religion, Berichte über das Leben des Durchschnittsamerikaners, immer mit dem Hintergrund, die freie, demokratische Lebensweise in Amerika beispielhaft darzustellen. Nach Jahren der politischen und kulturellen Isolation sollte den Deutschen der Blick auf die Welt und auf demokratische Staatsformen geöffnet werden. Dabei waren Frauen eine nicht zu unterschätzende Gruppe, die durch ihr Wahlrecht, ihre Kaufkraft und die Kindererziehung einen großen Einfluss auf politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Prozesse haben konnten. Ziel der Re-education war es daher, Frauen zu einer aktiven Einflussnahme bei politischen und gesellschaftlichen lokalen oder auch überregionalen Entscheidungen zu ermuntern, sei es im Bildungswesen, im Gesundheitswesen, dem Wohnungsbau, zu gerechten Löhnen und Arbeitsbedingungen, der Gleichberechtigung von Mann und Frau, usw. und sich damit als verantwortungsvolle Bürger am Aufbau der Demokratie zu beteiligen. Dazu abschließend ein Zitat aus der Rede des stellvertretenden amerikanischen Hochkommissars in Deutschland, J. Buttenwieser in Heidelberg vom 26. Mai 1951: „Der Jugend Deutschland muss ständig vor Augen geführt werden, dass sie keine vergessene Generation ist und dass sie eine hoffnungsvolle und würdige Zukunft vor sich hat. Die Mütter können und müssen wesentlich dazu beitragen (…) Über den Gebrauch ihres Wahlrechtes hinaus können und müssen die Frauen eine wirkliche und aktive Rolle in öffentlichen Angelegenheiten spielen – in der Regierung, den Gemeindeverwaltungen und anderen Selbstverwaltungskörperschaften.“

 

Diese Aussage hat wohl auch heute nichts an Aktualität verloren!

 

Den Amerika Dienst gibt es noch immer, ausgewählte Artikel aus der amerikanischen Presse können in deutscher Übersetzung online gelesen werden.

 

Nicht nur die Presse, sondern auch Radio Frankfurt hatte nach dem Krieg einen Neustart in Bad Nauheim. Dazu mehr in der letzten Folge dieser Serie.

 

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Teil 5

 

Radio Frankfurt

 

Bad Nauheim war nicht nur die „Wiege“ der Deutschen Presse Agentur dpa, sondern vorübergehend auch Heimat von Radio Frankfurt.

 

Bedingt durch die zunehmende Bombardierung Frankfurts wurde bereits 1943 nach und nach das Rundfunkorchester nach Bad Nauheim ausgelagert. Aus verschiedenen Räumen des Kurhauses wurden Musiksendungen von Unterhaltung bis Klassik ausgestrahlt. 1944 nach der Zerstörung des Studios an der Eschersheimer Landstraße zog auch der gesamte Stab in das Hotel Terrassenhof in der Auguste-Viktoria-Straße, und man sagt, dass vorzugsweise aus einem Badezimmer gesendet wurde, weil man dort die beste Akustik hatte.

ehem. Hotel Terrassenhof
ehem. Hotel Terrassenhof

Währenddessen war Luxemburg Ende Januar von den Amerikanern eingenommen worden, die dort den intakten Reichssender Luxemburg vorfanden und ihn sofort für Propagandasendungen nutzten, was ihn jetzt zum Feindsender machte. Die Leitung dieses Senders oblag Hans Habe und Golo Mann. Nachdem die Amerikaner den Rhein überschritten und schließlich am 29. März 1945 Bad Nauheim erreicht hatten, wurden Hans Habe und Golo Mann gemäß dem lange vorbereiteten Plan (siehe Artikel über die DANA) nach Bad Nauheim beordert. Zwar hatte Radio Frankfurt die eigene Sendeanlage am Heiligenstock in Bad Vilbel auf Geheiß Goebbels kurz vor den Einmarsch der Amerikaner gesprengt. Aber das Studio in Bad Nauheim konnte praktisch betriebsbereit übernommen werden. Ein fahrbarer amerikanischer Mittelwellensender und eine Notantenne am Heiligenstock nahmen den Betrieb auf, und bereits am 1. Juni 1945 ging die erste Sendung nach Kriegsende wieder über den Äther. Aus dem Sender „Frankfurt“ wurde „Radio Frankfurt, ein Sender der amerikanischen Militärregierung“ mit Sitz in Bad Nauheim. Leiter des Senders und gleichzeitig auch Kontrolloffizier wurde Golo Mann. Der Rundfunk war für die Informationspolitik der Amerikaner außerordentlich wichtig, denn damit konnten sie zunächst wesentlich mehr Menschen erreichen als über die Druckpresse, die ja mit erheblichen Anfangsschwierigkeiten zu kämpfen hatte. Auch hier wurden unbelastete deutsche Mitarbeiter gesucht, nach den gleichen Kriterien wie bei den Zeitungsverlegern. Eberhard Beckmann wurde erster Intendant unter amerikanischer Leitung. Durch den Personalmangel und die eingeschränkten Funkmöglichkeiten wurde anfangs nur 6 – 8 Stunden täglich gesendet. Die Bevölkerung bekam die nötigsten Informationen zu allen Fragen des täglichen Lebens, wie Lebensmittelrationen, Kohlezuteilungen usw., aber auch hier stand die Umerziehung zur Demokratie durch entsprechende Beiträge im Vordergrund. Dazu gab es natürlich Unterhaltungssendungen, um die Menschen ein wenig von ihren täglichen Sorgen und Nöten abzulenken. Am 15. Februar 1946 zog Radio Frankfurt wieder zurück in die Eschersheimer Landstraße in das notdürftig hergerichtete Funkhaus. Wie auch bei der Druckpresse unterlagen die Sendungen einer strengen Zensur. Nachdem wie bei der Presse immer mehr deutsche Mitarbeiter und schließlich auch entnazifizierte Rundfunkjournalisten gefunden worden waren, ging Radio Frankfurt am 28. Januar 1949 mit der Übergabe der Lizenzurkunde von General Lucius D. Clay mit einem Festakt in deutsche Leitung über. Eberhard Beckmann wurde als Intendant weiterhin bestätigt, aus Radio Frankfurt wurde Hessischer Rundfunk. Erster politischer Chefredakteur wurde Hans Mayer, der später wegen Differenzen auf eigenen Wunsch ausschied. Sein Nachfolger war Otto Herr. 1946 gab es ein neues Pausenzeichen, der Kinderfunk und der Schulfunk wurden ins Leben gerufen. Zudem Redaktionsteam gehörte Lieselotte Siener-Perne, die später in der beliebten Sendung „Aus Stadt und Land“ die Babett verkörperte. Im Ruhestand lebte sie viele Jahre in Bad Nauheim. Am 17. September 1949 wurde unter dem Titel „Hesselbachs ihrn Hausschlüssel“ die erste Folge von Familie Hesselbach gesendet, die geradezu Kultstatus erreichte und weit über die Landesgrenzen hinaus bis 1956 eine der beliebtesten Sendungen überhaupt war und den Sprung ins Fernsehen schaffte.

 

Aus den bescheidenen Anfängen in Bad Nauheim haben wir heute mehrere Regionalstudios hessenweit und ein breit gefächertes Spektrum an Sendungen für jeden Geschmack.

 

Copyright Gisela Christiansen

 

 

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Quellennachweis

 

Archiv dpa

Archiv HR

Deutsches Rundfunkarchiv Frankfurt

Archiv Amerika Dienst

Stadtarchiv Bad Nauheim

OMGUS-Akten, IFZ München

Aufzeichnungen Heinrich Burk

HR3 Film Henning Burk

Hans Habe: „Im Jahre Null“

Harold Hurwitz: „Die Stunde Null der deutschen Presse“

Stefan Heym: „Nachruf“

Martina Schumacher: “Ausländische Nachrichtenagenturen in Deutschland vor und nach 1945“

Jürgen Wilke: „Kommunikation und Politik“

Hans-Joachim Höhne: „Die Geschichte der Nachricht und ihrer Verbreiter“

Internet

 

 

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Veröffentlichungen

 

Die Wetterauer Zeitung veröffentlichte im Mai 2017 Gisela Christiansens Amerikanische Spuren in 5 Teilen.

Hier der Link zum zuletzt veröffentlichten Teil vom 28.05.2017:  "Radio aus dem Badezimmer - Die Stadt Bad Nauheim ist nicht nur die »Wiege« der Deutschen PresseAgentur gewesen, sondern vorübergehend auch Heimat von Radio Frankfurt." www.wetterauer-zeitung.de/regional/wetteraukreis/friedbergbadnauheim/art472,261191

 

(Leider hat die Mittelhessische Druck- und Verlagshaus GmbH & Co. KG für ihre Gießener Allgemeinen Zeitung, Alsfelder Allgemeinen Zeitung und Wetterauer Zeitung etc. entschieden, dass seit dem 01.02.2017 keine Artikel mehr gescannt und auf Webseiten veröffentlicht werden dürfen, auch wenn dieses eine Werbung für den Verlag und deren Zeitungen darstellt. Es sind nur noch "Links" erlaubt.)

 

Online-Museum Bad Nauheim, 02.06.2017