BAD NAUHEIM - ZUR ERINNERUNG AN DEN KURAUFENTHALT 1916

Von der Kurherzoglichen Bade- und Kurverwaltung Bad Nauheim - ONLINE-MUSEUM 23.04.2016

 

Die Schnellzüge, die von Frankfurt a.M. aus in der Richtung nach Cassel-Hannover die fruchtbare Wetterau durchqueren, erreichen nach etwa 40 Minuten Fahrzeit da, wo die nach Norden allmählich flach werdende Taunuskette sich der Bahnlinie nähert, das berühmte Weltbad BAD-NAUHEIM. Die Lage des Kurorts, die man von der im Osten der Stadt auf erhöhtem Terrain entlang geführten Eisenbahn aus mit einem Blick überschauen kann, ist höchst malerisch. Die bewaldeten Taunushöhen, mit dem die Stadt überragenden Johannisberg schließen im Westen das Bild ab, im Süden grüßen wenige Kilometer entfernt die Türme der trotzigen Burg und Stadt Friedberg herüber, von Bad-Nauheim durch einen freundlichen Wiesengrund, den die Usa durchströmt, geschieden. Die Gradierbauten der alten Saline, die jenen Wiesengrund im Norden in grader Linie von Ost nach West durchschneiden, sind alte Wahrzeichen des Kurortes Bad-Nauheim. Allerdings hat die Saline, zu der sie gehören, vor kurzem ihre Stelle gewechselt. Während östlich der Eisenbahn die neue Saline erwachsen ist, entstehen auf dem alten Salinengelände neue Straßenzüge mit stattlichen Neubauten. Zwischen Salinengebiet und Johannisberg liegt eng zusammengedrängt, mit winkeligen Straßen, aber freundlichen, sauberen Häusern, die zur Aufnahme bescheidener Badegäste einzuladen scheinen, die ländliche Altstadt von Bad-Nauheim. Im Norden und Osten ist sie umschlossen von den neuen, meist rechtwinklig sich schneidenden Straßenzügen des modernen Kurorts. Hier reiht sich Hotel an Hotel, Kurpension an ärztliches Sanatorium. Alles ist hier den Zwecken des Bades dienstbar gemacht. Kein Wunder, daß diese Lage so gesucht ist, denn wir befinden uns hier in unmittelbarer Nähe des Kurparks. Der - wie die gesamten Kur- und Badeanlagen Bad-Nauheims im Eigentum des hessischen Staates stehende - Bad-Nauheimer Kurpark umfaßt - zusammen mit dem großen Teich, den er umschließt - eine Fläche von über 600 Morgen und bildet somit die größte Anlage dieser Art in Deutschland. Die alten, noch aus kurhessischer Zeit stammenden, prachtvollen Baumbestände des Kurparks bieten auch an heißen Sommertagen einen erquickenden Aufenthalt. Bequeme Stühle und Bänke gestatten dem Besucher, jeden schönen Augenblick, jeden lauschigen Platz in Ruhe zu genießen und sich dabei an den hier aufs sorgfältigste gehegten, fast völlig zahmen zahlreichen Singvögeln zu erfreuen. Da, wo das Gelände im Westen sich erhebt, schließt das hübsche Kurhaus den Park wirksam ab. Die leichte, gefällige Bauart erinnert daran, daß hier zu kurhessischer Zeit französische Spielpächter gehaust und Bad-Nauheim in diesem Kurhaus, das keineswegs monumental, aber elegant und behaglich ist, ein wertvolles Andenken hinterlassen haben. Das eigentliche Badegebiet befindet sich auf verhältnismäßig engem, von der Ludwigs-Straße halbkreisförmig umschlossenen Raum auf der Ostseite des Parks. Nur wenige Minuten vom Bahnhof entfernt, am tiefsten Punkt der Stadt und zugleich in deren Zentrum, liegen hier die staatlichen Badehäuser, früher ein Konglomerat einfacher, pavillonartiger Fachwerkbauten, die ziemlich wahl- und planlos, dem Bedürfnis des Augenblicks entsprechend, errichtet waren, jetzt  seit Fertigstellung der 1905 begonnenen umfassenden staatlichen Neubauten, die über zehn Millionen Mark gekostet haben - ein einheitliches, geschlossenes architektonisches Bild, das in keinem anderen Kurort der Welt seinesgleichen sucht. Den Kern der ganzen Anlage bildet der Sprudelhof mit den drei mächtigen, geysirähnlichen Heilsprudeln, den unschätzbaren Kleinodien Bad-Nauheims. Wie die künstlerische Fassung edle Perlen umschließt, so gruppieren sich die neuen staatlichen Badehäuser um den herrlichen Sprudelhof.

Ehe wir jedoch in das Getriebe des modernen Kurortes eintreten, sei zunächst ein kurzer Rückblick auf dessen Entwicklung gestattet.

 

 

Im Jahre 1835 wurde am 1. Juli an der Stelle, wo jetzt die evangelische Dankeskirche steht, das erste Badehaus mit acht Zellen von dem kurfürstlichen hessischen Salzamt in Bad Nauheim eröffnet. Man hatte für Zwecke der Saline eine Bohrung vorgenommen und war dabei auf eine 25 Grad warme Sole gestoßen, die dem auf der Saline befindlichen Knappschafts-Badehaus zugeführt wurde. Diese bescheidenen Anfänge der Solbadeanstalt zu Nauheim knüpfen also an den uralten Bad-Nauheimer Salinenbetrieb an, dessen Spuren bis in das 5. Jahrhundert unserer Zeitrechnung zurückreichen. Die kurfürstliche Regierung in Cassel wandte dem jungen Unternehmen von Anfang an reges Interesse zu. Namentlich sind die vielfachen Bodenuntersuchungen und Bohrungen hervorzuheben, die in den ersten Jahrzehnten des Badebetriebes von tüchtigen kurhessischen Bergleuten in Bad Nauheim vorgenommen wurden. Ein solcher Bohrversuch, der im Sommer 1841 zur Ausführung kam, aber zunächst erfolglos bleib, sollte für die Zukunft des Badeortes von größter Bedeutung werden. Am 22. Dezember 1846 morgens 7 Uhr wurde den Bewohnern Nauheims ein wunderbares Weihnachtgeschenk von der gütigen Natur gewährt, indem sich eine 25 Grad warme mächtige Solquelle durch die Schachtabdeckung jenes 1841 verlassenen Bohrlochs Bahn brach und ihr an Kohlensäure überreiches Wasser dampfend der Usa zuströmen ließ. Dieser denkwürdige Augenblick ist die eigentliche Geburtsstunde unseres Weltbades. Jetzt drängen sich die Badegäste von allen Ländern herbei, und es wird berichtet, daß im Jahre 1847 viele Badegäste bis zum Nachmittag, ja bis zum späten Abend warten mussten, um bei den vorhandenen primitiven Einrichtungen ein Solbad zu erlangen. Das Jahr 1848 war zwar dem Kurort wenig günstig, aber die kurhessische Verwaltug arbeitete auch in diesem politisch so unruhigen Jahre mit stiller Emsigkeit an der Vermehrung der Badezellen und de Verbesserung der Kureinrichtungen. Im Jahre 1853 verfügte man bereits über 62 Badezellen. Am 15. Mai 1855 trat nach einer seit dem Jahre 1852 in Angriff genommenen Tiefbohrung der mächtige Friedrich Wilhelm-Sprudel zu Tage.

Von da an besaß Bad-Nauheim zwei Sprudel, zu denen erst durch die von Professor Dr. Lepsius im Jahre 1901 bewirkte Erbohrung des Ernst Ludwig-Sprudels ein dritter Sprudel getreten ist. Es würde hier zu weit führen, die allmähliche Vergrößerung der Badeeinrichtungen bis zur Jetztzeit weiter zu verfolgen. Dagegen muß hier der Spielbank gedacht werden, die auf Grund eines im Dezember 1853 in Bad-Nauheim auf die Dauer von 24 Jahren geschlossenen Vertrages im Jahre 1854 in Bad-Nauheim ins Leben trat. Die Spielbank hat bis Ende 1872 in Bad-Nauheim bestanden.

Wenn sie auch nicht im gleichen Maße wie z.B. in Homburg und Wiesbaden florierte, so hat sie doch trotz aller Bedenken, die man gegen das Hasardspiel und seine Duldung hegen mag, für Bad Nauheim große Bedeutung und dauernden Nutzen gehabt. Denn der Spielbank dankt Bad Nauheim nicht bloß das geschmackvolle, leicht elegante Kurhaus und die Teichhaus-Wirtschaft, sondern vor allem auch die Anlagen des wundervollen Kurparks, für den unter Anwendung des kurhessischen Enteignungsgesetzes das Gelände im weiten Umkreis zusammengekauft wurde. Mag man sonst über Kurhessens Geschichte im vorigen Jahrhundert urteilen wie man will, Bad-Nauheim und sein Kurpark bilden ein Ruhmesblatt für die Fürsten und die Beamtenschaft des damaligen Kurstaats. Auch bereits im 18. Jahrhundert hat Hessen-Cassel, das 1736 in den Besitz Nauheims gelangte, sich dort erfolgreich betätigt und namentlich der Saline große Aufmerksamkeit gewidmet. Der geniale Obersalzgraf Waitz von Eschen, nach dem der jetzt noch vorhandene 1742 erbaute Waitz'sche Turm genannt ist, ließ die Anlagen der Saline wesentlich umgestalten. So verwendete er zuerst bei den Gradierbauten die jetzt noch gebräuchlichen Schwarzdornen statt der früher benutzten wenig widerstandsfähigen Getreidestrohbüschel. 1737 legte Waitz von Eschen den 84 000 qm großen Sammelteich (jetzt der "große Teich" genannt) an und benutzte dessen Wasser, ebenso wie das Gefälle des Wetterflusses bei Schwalheim als Triebkraft zur Solförderung nach den Gradierbauten.

Nach diesem Exkurs in die fernliegende Vergangenheit, die jedoch mit deutlich sichtbaren Spuren in die Gegenwart hineinragt, wenden wir uns dem Zeitpunkt zu, in dem Kurhessen von Preußen annektiert und das rings von Großherzoglich Hessischem Gebiet umgebende Bad-Nauheim dauernd mit dem Großherzogtum Hessen vereinigt wurde, dem es bereits zur napoleonischen Zeit mehrere Jahre hindurch zugehört hatte. Durch den Friedensschluss des Jahres 1866 ging Bad-Nauheim an das Großherzogtum Hessen über, das Bad wurde Eigentum des Hessischen Staats. Anfangs konnte der Staat nur die Badeanstalt betreiben, während der ganze Kurbetrieb in den Händen der Spielbankpächter blieb. Mit dem Ablauf des Jahres 1872 erreichte die Spielbank in Bad-Nauheim, wie alle deutschen Spielbanken, infolge reichsgesetzlicher Vorschrift ihr Ende. Mit großer Sorge sah man damals in Bad-Nauheim und auch im hessischen Landtag der Zukunft des Badeortes bei Schluß der Spielbank entgegen. Aber die hessische Regierung hat damals gegenüber mancherlei anderen Vorschlägen bestimmt die Auffassung vertreten, daß die Heilkraft der Bad-Nauheimer Bäder auch ohne das Lockmittel Spielbank genügen werde, um das Bad weiter zu entwickeln. Die Erfahrung der letzten vier Jahrzehnte hat das bestätigt. Seit 1873 liegt der ganze Kur- und Badebetrieb der hessischen Staatsverwaltung ob, die durch Einführung einer Kurtaxe die Mittel zur Bestreitung der Betriebskosten vermehrte. Von Jahr zu Jahr hat sich mit geringen Schwankungen seitdem die Besucherzahl gehoben. Im Jahre 1900 besaß Bad-Nauheim sieben Badehäuser mit etwa 271 Badewannen. Die Zahl der Besucher belief sich auf 22 017. Damals war es, als zuerst der Gedanke auftauchte, von Grund aus die Badeeinrichtungen Bad-Nauheims umzugestalten. Die Erbohrung des Ernst-Ludwig-Sprudels im Jahre 1901 und die Neuverrohrung der früheren Sprudel waren die ersten Schritte der Regierung zur Verwirklichung dieses weitschauenden Plans. Erst als die Heilquellen, die natürlichen Grundlagen des ganzen Badebetriebs, in einer einwandfreien Weise neu gefasst waren, trat man im Jahre 1904 mit einer besonderen, Bad-Nauheim betreffenden, großen Vorlage an den hessischen Landtag heran, um die Mittel für eine umfassende Neugestaltung der gesamten Badeanstalt zu erlangen. Es bleibt ein dauerndes Verdienst des hessischen Landtages, daß er großzügig genug war, auf dieses Millionenprojekt einzugehen. Mit dem, bewilligten Geld ist gut gearbeitet worden.

Wenn man etwa seit 1905 nicht mehr in Bad-Nauheim war, so findet man alles vollständig verändert. Vom Bahnhof kommend, sieht man jetzt zwischen zwei Torgebäuden, in denen die Verwaltung des Bades ihren Sitz hat, hinunter in das Badegebiet, wo inmitten eines von Wandelhallen umschlossenen Hofs die berühmten warmen Sprudel schäumend hervorspringen, während dahinter der alte Park mit seinen ehrwürdigen Baumriesen, überragt vom Johannisberg, das Bild abschließt. Natur und Kunst wetteifern hier in gegenseitiger Steigerung. Geht man die große Freitreppe hinunter, so gelangt man nach Durchquerung eines kleinen Vorhofs, aus dem links und rechts je ein Badehaus zugänglich ist, in den Sprudelplatz, dessen Wandelhallen die einzelnen Badehäuser zu einer Einheit verbinden und gleichzeitig die Sprudel wirkungsvoll rahmen. Diese selbst fallen in mächtige Becken aus Muschelkalk, die von Quadern mit reichem figürlichen Schmuck getragen werden. Auf der einen Seite steht auf acht Seehunden ruhend die kleinere Schale des Ernst Ludwig-Sprudels, dem als Gegenstück ein mächtiger Bronzelöwe auf hohem Kalksteinsockel gegenüber gestellt wird.

Aus den Wandelhallen betritt man die einzelnen Badehäuser, die alle so angelegt sind, daß man zunächst in einen Warteraum gelangt, an den sich geradeaus ein Innenhof anschließt. Dieser Warteraum und ganz besonders die Höfe bilden die Höhepunkte der ganzen Anlage. Gediegene Ausstattung der Säle mit Marmorbekleidung, Mosaik, keramischem Schmuck oder Malerei in stetem Wechsel, verbunden mit der liebevollen architektonischen und gärtnerischen Behandlung der Höfe, wirkt äußerst wohltuend und anheimelnd, und wenn man an einem dieser idyllischen Plätzchen bei plätschernden Brunnen zur ruhigen Erholung Platz gefunden hat, so kann man sich darüber hinwegtäuschen, daß man inmitten eines gewaltigen Betriebs sich befindet, und daß hier zu den 143 verbliebenen alten in einer zusammenhängenden großen Bauanlage 241 neue Badezellen mit 262 Badewannen und allen möglichen Nebenräumen aneinandergereiht sind. Was diese Zahlen bedeuten, das erkennt man erst, wenn man einmal in der Hochsaison durch diese Anlagen an einem Tage gegangen ist, an welchem 4500 Bäder abgegeben werden. Das ist eine Zahl, die in gleichem Umfang wohl sonst nicht zu finden ist; in den zwölf Waschräumen türmen sich ganze Berge von Wäsche auf, die mehreremale an einem Tag zur Wäscherei abgeholt wird. Und welche Summe von Arbeit gehörte dazu, die dem Laien so einfach erscheinende Leitung des Wassers nach den Wannen praktisch und einwandfrei auszuführen.

Die Badezellen sind ganz mit Plättchen in verschiedenen Farben und Mustern bekleidet und mit weißlackierten Möbeln ausgestattet. Die Flure haben bemalte Wände und einfachen Bildschmuck. Überall herrscht peinlichste Sauberkeit. Für Luft und Licht ist allerorts reichlich gesorgt.

Geht man aus der Badeanlage durch den Park nach Süden, so gelangt man nach den reizend angelegten Tennisplätzen, mit denen ein staatliches Kaffeehaus und Kolonnaden verbunden sind. Von der Terrasse des Cafés überblickt man einen großen Teil der wunderbaren Parkallee, die am unteren Ende wirkungsvoll durch ein Brunnendenkmal, zur Erinnerung an den ersten Badearzt Beneke, abgeschlossen ist.

Weiter nach Süden, hinter der Dankeskirche, liegt die neue Trinkkuranlage, eine hufeisenförmige, anmutige Wandelhalle, in deren freier Seite ein Musiktempel, davor ein großes Wasserbecken angelegt ist. Auf dem Platz zwischen den Wandelhallen spielt sich morgens beim Frühkonzert ein lebhafter Verkehr ab. Der dort liegende Kurbrunnen ist neu gefaßt und neu überbaut worden, eine geschlossene kuppelüberwölbte Trinkhalle mit großem Brunnenbau zur Abgabe der verschiedenen Trinkwässer, kalt und warm, sorgt für die Bequemlichkeit der die Trinkkur gebrauchenden Gäste udn ein dort eingebautes Gartenhöfchen ladet zum Verweilen ein. Dem Kurbrunnen gegenüber endlich ist eine Milch-Trink-Kuranstalt eingerichtet, die immer stark besucht wird.

Schöne gärtnerische Anlagen, Pergolen und Terrassen tragen auch hier zur guten Gesamtwirkung bei. Man spürt überall den Einfluss der in Hessen ganz besonders entwickelten modernen Kunstbestrebungen; der Großherzog selbst hat sich für diese Anlagen lebhaft interessiert und wertvolle Anregungen gegeben.

Großherzog Ernst Ludwig Karl Albrecht Wilhelm von Hessen und bei Rhein (gelebt: 25.11.1868 - 09.10.1937), Foto aus dem Jahre 1905 von Jacob Hilsdorf
Großherzog Ernst Ludwig Karl Albrecht Wilhelm von Hessen und bei Rhein (gelebt: 25.11.1868 - 09.10.1937), Foto aus dem Jahre 1905 von Jacob Hilsdorf

 

Den Mittelpunkt des Kurlebens bildete das Kurhaus; aber es ist dies hier in Nauheim wegen seiner schönen Lage, der guten Kurmusik und nicht zuletzt wegen der vorzüglichen Bewirtung noch mehr als anderwärts der Fall. Daß bei einer größeren Veranstaltung 5000-6000 Menschen und noch mehr dort zusammenströmen, ist gar keine Seltenheit mehr. Selbst für normalen Besuch waren die Anlagen hier zu klein geworden, weshalb man neben der alten Terrasse einen neuen großen Konzertgarten anlegte, zu dem ein Musiktempel, gedeckte Hallen und schließlich ein großer Konzertsaal kamen. Hier auf der Terrasse und im Konzertgarten spielt sich das internationale Treiben des Weltbades a, Gäste aus aller Welt geben sich ein Stelldichein. Unvergleichlich schön ist und bleibt die Lage des Kurhauses. Vornehm und prächtig erscheint es vom Park, wunderbar ist der Blick von der Terrasse hinunter über die große Wiesenfläche, die rings von prachtvollen Baumgruppen umsäumt wird. Man hat deshalb die Neubauten mehr nach der Seite gerückt, um das alte Bild zu erhalten, eine Anordnung, durch die das Alte und das Neue jedes für sich gut wirkt.

Von Schlingpflanzen berankt, erhebt sich der Musiktempel hinter Bäumen, von unten zweigeschossig und schaut unter weit vorspringendem Schalldach in den Konzertgarten, an dessen anderem Ende der Konzertsaal über einer breiten Terrasse sich erhebt. Garderoben und Saal mit einem Vorsaal, der direkt an die bedeckten Hallen des Gartens anschließt, sind zusammen auf einer Höhe ohne Treppen zugänglich. Oben finden sich noch Logen und eine größere Mittelempore. Im ganzen faßt der Saal etwa 1500 Personen. Vornehme Ausstattung mit geschmackvoller Bemalung und reichen Beleuchtungskörpern geben eine gute Wirkung. Die Akustik ist ausgezeichnet.

Einer der schönsten Parkteile des mit großer Sorgfalt gepflegten, von Heinrich Siesmayer 1857/1858 angelegten Parks liegt nördlich vom Kurhaus am Wege nach dem Teich, etwas außerhalb des stärksten Verkehrs, so recht geschaffen zum ruhigen Verweilen. Kommt man dann nach dem Teich, so überrascht die stimmungsvolle Wasserfläche mit den beiden lauschigen Inseln und dem Teichhausrestaurant, wo man auch in der heißen Jahreszeit kühl sitzen kann. Oberhalb des Teichhauses ist eine kleine Gebäudegruppe malerisch in die Landschaft gesetzt, nämlich die Gärtnerei mit einem kleinen Wohnhäuschen für einen Parkwächter. Von hier aus sieht man eine zweite solche Wohnung oben vom Waldrand herüber grüßen, die zum kurzen Spaziergang einläd. Sie ist zur Abgabe von Erfrischungen (Milch) eingerichtet und wird gern besucht.

Nun muß noch eine letzte Reihe von Neubauten Erwähnung finden, die für das Bad zwar ebenso wichtig sind, wie die bereits genannten, von denen aber der Fremde weniger bemerkt; es ist das Elektrizitäts- und Fernheizwerk, die Eisfabrik, die Dampfwäscherei, das Gruppenwasserwerk und die neue Saline, alles staatliche Betriebe.

In dem erstgenannten Gebäude, das sich von außen durch das große Kesselhaus kennzeichnet, wird in sechs großen Kesseln der Dampf für den gesamten Kraft-, Licht-, und Wärmebedarf des Bades erzeugt. In langem, begehbaren Kanal wird er zu den Heizungen der Badeanlage geführt, in ebensolchem Kanal zur Dampfmaschine in der Waschanstalt und zu den Solverdampfern in der Saline geleitet, und im Elektrizitätswerk selbst treibt er die großen Dampfmaschinen, mit denen die elektrischen Dynamomaschinen verbunden sind. Kesselhaus und Maschinenhaus sind Räume von stattlichen Abmessungen.

In der Waschzeit müssen die großen Mengen Badewäsche gewaschen werden, bis zu 20 000 Stück an einem Tag. Dafür stehen große helle Räume zur Verfügung deren Wände mit weißen Platten bekleidet sind; alles ist peinlich sauber und übersichtlich. Es ist interessant, den Gang der Wäsche in diesem Haus von der Annahme und dem Sortierraum durch Wäscherei, Mangelraum, Magazin und Wäscheausgabe zu verfolgen. Eine Reihe von besonderen Räumen sind für das zahlreiche Wäschepersonal eingebaut. Das Gruppenwasserwerk liefert aus dem Vogelsberg durch eine 38 Kilometer lange, 450 Millimeter weite eiserne Rohrleitung herrliches Trinkwasser für das Bad und die Stadt Nauheim, für Friedberg und noch 30 Landgemeinden.

Die neue Saline, eine der letzten Neuanlagen, verdankt ihre Entstehung dem Umstand, daß das alte Salinengelände mit der Zeit durch die fortschreitende Bebauung sehr viel wertvoller geworden ist. Man durfte diese teueren Bauplätze nicht länger zu dem alten in vielen Gebäuden untergebrachten Salinenbetrieb mißbrauchen, mußte sie vielmehr der Bebauung erschließen und zu dem Zweck eine neue Saline erbauen, natürlich wie die anderen Werke an der Bahn, wegen der bequemeren Kohlenbeschaffung.

So hat sich gegenüber vom Bahnhof die stattliche Gruppe der Betriebsgebäude ergeben. In der Saline wird in interessantem Werdegang nicht nur Kochsalz, sondern vor allem aus der rückständigen Sole Mutterlauge und Badesalz gewonnen und neuerdings auch das sogenannte "Original-Solebadsalz", ein unmittelbares Eindampfungsprodukt der gradierten Sprudelsole, in dem außer Eisen und Kalk alle festen Bestandteile der Sprudelwässer enthalten sind. Mutterlauge und Badesalze sind für das Bad die eigentlich wichtigen Erzeugnisse der Saline. Sie werden in alle Welt verschickt und verkünden den Ruhm der Nauheimer Quellen. Am besten sprechen aber für die gute Heilkraft der Quellen die Besuchsziffern der letzten Jahre. Im Jahre 1900 wurde Bad-Nauheim von 22 000 Kurgästen besucht, im Jahre 1913 von 35 000; ab diese 35 000 Kurgäste sind annähernd 480 000 Bäder abgegeben worden.

Zu all diesen Vorzügen des Bades kommt noch seine klimatisch günstige Lage am Ostabhang des Taunus, seine erweiterten park- und waldähnlichen Anlagen, die es dem Heilung Suchenden ermöglichen, den Gottesfrieden der Natur auf Herz und Gemüt einwirken zu lassen, auch ein nicht zu unterschätzender Heilfaktor von Bad-Nauheim. Vorzüglich gehaltene Fuß- und Fahrwege führen in die Kapersburg, einem umfangreichen römischen Kastell, das am Pfahlgraben gelegen, durch ihn mit dem Kastell auf der Saalburg verbunden war. Auch auf dem Johannisberg oberhalb des Bades, von wo aus man einen der herrlichsten Ausblicke genießt, wurde vor wenigen Jahren eine römische Bauanlage aufgedeckt. Sehr zustatten kommt Bad-Nauheim auch seine Lage an der Weltverkehrsstraße Hamburg-Frankfurt-Basel. An der Main-Weserbahn gelegen, hat es vorzügliche Verbindungen nach allen Richtungen; zwischen ihm und Homburg-Wiesbaden verkehren die sogenannten Bäderzüge; mehrere Nebenbahnen, teils von Bad-Nauheim, teils von Friedberg aus, führen den Wanderer rasch in benachbarte Waldungen, auf die Ruine Münzenberg, in den Vogelsberg oder in das Lahngebiet.

Über die Indikationenund Heilerfolge Bad-Nauheims seien einige Worte hier angeführt:

Von den kostbaren Heilschätzen der Natur, den Quellen, werden mehrere (als Kochsalzquellen, alkalische und alkalisch-muriatische Säuerlinge) zu Trinkkuren benutzt, während das Wasser der drei Sprudel die Bäder liefert. Die Sprudel gehören zu den kohlensäurereichsten Thermalsolequellen, die es gibt, und haben von allen derartigen Quellen den unbestreitbaren Vorzug, das sie in badefertiger Temperatur der Erde entströmen. Durch ihren günstigen untereinander verschiedenen Gehalt an Salzen und Kohlensäure und durch Abgabe jeder Quelle in je drei verschieden stark kohlensäurehaltigen Bäderformen lassen sie sich auf das feinste abstufen und jeder Krankheit, jedem Kranken anpassen.

Der Erfolg dieser Bäder bei Erkrankungen des Herzens und der Blutgefäße hat den Ruf Bad-Nauheims als "Herzbad" begründet; ferner werden alle rheumatischen Erkrankungen, Gicht, Exsudate, allgemeine Schwächezustände jeder Art sowie Nerven- und Rückenmarkskrankheiten günstig beeinflußt. Die gasfreien Solbäder werden deshalb nicht vernachlässigt und finden ebenso wie anderwärts besonders bei Skrophulose, Rachitis und Frauenkrankheiten Verwendung. Selbstverständlich verfügt dieser moderne Kurort auch über alle sonstigen Kurmittel, von denen der Kürze halber nur das Inhalatorium, das Emanatorium, die Gradierbauten und das Medico-mechanische Zander-Institut erwähnt seien.

Mit der außergewöhnlich schnellen Entwicklung des Bades hat die der Stadt Bad-Nauheim gleichen Schritt gehalten. Eine weitsichtige Kommunalverwaltung, unterstützt von einer ruhigen Bevölkerung und den Verkehrsvereinen, wetteifert durch die Überführung der Gasbeleuchtung aus privatem in städtischen Besitz durch Anschluss der Stadt an das staatliche Elektrizitätswerk und die staatliche Gruppenwasserversorgung aus dem Vogelsberg, durch Schaffung und Erhaltung schöner sauberer weitangelegter Straßenzüge, durch Fürsorge für die Kranken (städtisches Krankenhaus und Konitzkystift), durch Pflege des geistigen Lebens auf allen Gebieten wie Schule, Veranstaltung von Unterhaltungen, mit den Aufwendungen des Staates, und hat es zuweg gebracht, daß aus dem kleinen unbedeutenden Landstädtchen der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts ein Weltkurort geworden ist, der dem verwöhntesten Geschmack Rechnung trägt.

Im Zusammenhang mit Bad-Nauheim verdient auch das staatliche Bad-Salzhausen ganz besonders erwähnt und, inmitten einer ruhigen waldreichen Gegend mit köstlicher Luft am Fuße des Vogelsberges gelegen, als Nachkurort empfohlen zu werden.

 

 

 

...Fortsetzung folgt...