ERINNERUNGEN

ROLAND HYNITZSCH

 

Sonnenweg 11

Bad Nauheim

 

 

Johannes Erasmus Hynitzsch der Ältere (geb. 11. Februar 1602 in Bamberg; gest. 5. April 1682 in Nordhausen), war der erste Buchdrucker in Nordhausen, Thüringen. 1919 ließ sich Familie Hynitzsch in Schwarzenberg nieder. Ihnen ging es gut. Vater und Bruder arbeiteten als Apotheker in einer eigenen Apotheke. Mit einem Freund floh Sohn Roland Hynitzsch aus der russischen Besatzungszone und vermisst seitdem sein damaliges Leben sehr. Dort ist seine Heimat. Es reizt ihn stets aufs neue, gerne provozierend auf die Unzulänglichkeiten seiner neuen Umgebung aufmerksam zu machen. Die Hoffnung gibt er nie auf, dass sich etwas zum Besseren wandelt.

 

Strukturell sind die Gemeinschaften, die er erlebt, immer einer Diktatur ähnlich: in den Familien und sämtlichen Institutionen, wie den öffentlichen Verwaltungen, Unternehmen und Vereinen. Das ist schon immer so gewesen, seit es Menschen gibt, sagt er. Gegen sein Gedächtnis und seine sensible Wahrnehmung kann er nicht an. Es ist eine Belastung. Sein Gedächtnis reicht bis zu seinem dritten Lebensjahr zurück. Doch sein Humor half ihm durch alle Täler hindurch. Er hat entbehren gelernt.

 

Im Winter 1946/47 begann er in Bad Nauheim als Eismeister. Die Eisfläche herzustellen, war enorm aufwändig. Hierzu musste erst die vorhandene Eisfläche abgehobelt werden und dann Wasser mit einer wasserdampfbenetzten Decke auf der Fläche aufgebracht werden. Den Wasserdampf erhielten er und seine Kollegen vom benachbarten Wasserwerk. Ursprünglich war nur den Amerikanern erlaubt, das Eisstadion zu benutzen, doch aufgrund seiner beharrlichen Bitten hin durfte eine Mannschaft zusammengestellt werden. Roland Hynitzsch war „Lifeguard“ im Schwimmbad am Konitzkystift. Mit den Amerikanern fuhr er auf dem Kurparkteich Motorboot. Sport ist sein Lebenselixier bis heute. Als „Icescating-Instructor“ brachte er so manchem Bad Nauheimer Kind das Schlittschuhlaufen bei. Hierbei hat ihn vermutlich seine zukünftige Frau beobachtet und ihn für immer in ihr Herz geschlossen. Er begegnete ihr in unserem kleinen Städtchen bei den unterschiedlichsten Gelegenheiten. Roland Hynitzsch vermisst seine Frau sehr. Seit 8 Jahren ist er nun ohne sie. Sie hat ihn gemocht, mit all seinen Fehlern, stellt er fest. Er glaubt, er war ein unangenehmer Mensch.

 

Als nächstes betreute er den „Checkroom“ des Golfclubs und tat Dienst bei der Feuerwehr. Der Feuerwehr gehörte er von 1949 bis 1965 an. 16 Jahre davon war er bei der amerikanischen Berufsfeuerwehr.

 

Roland Hynitzsch war in diversen Unternehmen tätig und erhielt so die Gelegenheit, hautnah die Wirkung von Hierarchien zu studieren. Zu seinem Nachteil äußerte er offen und freimütig seine Meinung. – Oft konnte er beobachten, dass Menschen mit Geld und Beziehungen anderen gegenüber bevorzugt werden. Das hat sich bis heute nicht geändert.

 

Ein abgestürztes Flugzeug explodierte bei einem Feuerwehreinsatz, der die Rettung von Überlebenden zum Ziel hatte. Roland Hynitzsch wurde von brennendem Phosphor verletzt und schied bei der Gelegenheit aus dem Feuerwehrdienst aus.

 

Trotz Fehlbehandlungen überlebte Roland Hynitzsch zwei Herzinfarkte. Qualitäten auf dem medizinischen Sektor kann er daher durch eigene Anschauung beurteilen. Er ist mehr als skeptisch.

 

Stets begleiten ihn sämtliche Erinnerungen seines gesamten Lebens. Seine Kriegserlebnisse hat er vor jedem in sich verschlossen. Er wünscht sich, er hätte für immer in seiner alten Heimat bleiben können, in der er sich so wohl fühlte wie sonst nirgends. Selbst auf dem letzten gemeinsamen Weg mit seiner Frau muss er erleben, dass es Rücksichtslosigkeiten und Fantasielosigkeiten gibt: So wurde ihm nicht bekanntgegeben, wo die Urne seiner Frau beerdigt ist. Gerne hätte er sich von ihr verabschiedet, - und er wäre gerne beim Begräbnis dabei gewesen. Es gab keinerlei Absprache, - und es gab kein Gebet. Der gemeinsame Wunsch nach einem Grab ohne Grabstein wurde mit vollständiger Anonymität beantwortet. Traurig.

 

In Erinnerung an Annemarie, geb. Göbert

 

 

 

Roland Hynitzsch weilt nicht mehr unter uns. Wir trauern um ihn.

Er wurde geboren am 08.05.1925 und starb am 20.06.2016.